Über uns...

Dieses Blog diente der Vorbereitung einer Inszenierung - hier tauschen sich die Beteiligten über ihre Sichtweise des Stücks, die Ideen zur Inszenierung, die Probleme mit dem Text und anderes mehr aus.

Leider ist dies Inszenierung bis auf weiteres verschoben. Daher hier erstmal nichts neues.

Samstag, 16. Dezember 2006

Metamorphosen

Aus dem Kokon kommt ein tiefes Seufzen, offenbar hat sie wieder Substanz genug zu atmen. Irgendwo wird wohl gerade der Sommernachtstraum gespielt – dieses verfluchte Stück, das sie überhaupt erst in diese Lage gebracht hat. Ohne dieses Stück, ohne das Theater wäre sie jetzt nur noch ein vergessenes Wispern in einem dunklen Dickicht in einem immer kleiner werdenden Wald – aber der Kobold wusste es wie immer besser.
Es waren natürlich die Namen: Spinnweb, Motte, Senfsamen und Erbsenblüte. Lächerlich. Senf und Blüte hatten von Anfang an keine Chance. Zu floral – und hier gab’s nicht Licht, Wasser, Erde. Beide sind jetzt schon seit hundert Jahren in ihren Kokons.
Was sollte ich auch gross machen, spinnen und weben war das einzige. Aber das hat man davon, wenn man einem Landei versucht über die Natur der Elfen zu sprechen. Das Wachsende, Blühende, Brennende, Lichte; das Hüllende, Fangende, Wehende, Zarte: Insekten und Pflanzen. Bah.
‚Spinnweb’ – sie kommt wieder zu sich – ‚Ja, was ist’
‚Da ist ein Licht’
‚Sie spielen wieder dieses Stück’
‚Nein, anders’
Sie deliriert; das ist das Gift. Motte galt immer schon als Schädling im Theater- die wertvollen Kostüme und all das. Solange es bei Lavendelkissen bliebt, hatten wir sogar unseren Spass daran – ich wob die Blüten in Kränze, die sie mir zu gefallen trug. Aber seit sie dieses Naphthalin haben, geht’s zuende.
Diesmal ist das Ende schlimmer als vor 300, 400 Jahren. Vergessen werden und verwehen ist schmerzlos. Langsam verblassen, weil keiner mehr glaubt, Angst hat, einen Bogen um Feenkreise geht – man dämmert so weg, schläft. Vielleicht träumt man auch – nein, das kam später, so haben wir damals noch nicht gedacht – aber Gift, die Zerstörung der physischen Form.
Der Kobold hat uns damals gerettet. Er hatte einem jungen Autor von uns erzählt – ihm vorgeschwärmt von den Geschichten, den Tricks, den Abenteuern – seinen Geschichten, Tricks, Abenteuern. Uns gab’s als Dreingabe, das Kroppzeug, das Gefolge der Königin. Und er ist ja auch fein raus – als einziger kann er sich frei in der Welt bewegen. Selbst den König und die Königin existieren nur noch im Theater. Sind aber Hauptrollen – die haben die Bewunderung des Publikums aufgesogen wie ein Schwamm, halten sich jetzt für Theatergötter. Und der Kobold hat sogar seinen eigenen neuen Aberglauben – nicht pfeifen auf der Bühne, nicht essen, nicht mit Strassenkleidung über die Bühne – Angeber.
‚Spinnweb, du musst mir helfen. Ich kann das Licht nicht finden’ – ‚Ich bin gleich bei dir’
Vielleicht hilft’s ja. Uns gibt es auf allen Bühnen, jedes Publiklum kennt die Elfen des Sommernachtstraums. Unsere Welt ist nicht mehr der Wald, die Natur – wir leben in einem riesigen Theater. Das Echo aller Bühnen dieser Welt hallt hier auf unserem Dachboden wieder.
‚Ja Motte, was ist?’ – ‚Da ist ein Licht – wir müssen dahin’
‚Das ist doch nur wieder die alte Leier’ – ‚Nein, sieh doch. Das ist eine neues Stück. Und sie haben eine Elfe mit Flügeln. Siehst du das Licht?’ – ‚Ja’
Und wie es schien. Es zog uns an wie – ja – wie das Licht die Motten. In einem Theater in London. Hunderte Kinder – es war der Tag nach Weihnachten – staunend und wie gebannt von dem was sie sahen. Und die Elfe starb – und der Junge, der mit ihr durch die Welt flog, fleht die Zuschauer an: „Wenn ihr alle ganz fest an Elfen glaubt, kommt sie vielleicht zurück. Glaubt ihr an Elfen?“ Und erst langsam, dann immer lauter rufen, schreien, brüllen hunderte von Kindern – „Wir glauben an Elfen“.
Es schleudert uns auf unserem Dachboden zurück. Mottes Kokon glüht, sie reflektiert das Licht, all den Glauben. Immer heller scheint es, es verzehrt die Hülle; blendet mich. Da steht sie – licht, zart, zerbrechlich. Sie ist wunderschön.
Ein Geräusch, ich drehe mich um: ‚Ach du bist es, willkommen Kobold’
‚Peter – heute bin ich Peter’

Fitzlade, Dezember 2006

3 comments:

FitzLade hat gesagt…

Von Daniel per e-mail:
...
Habe aber dafür gestern die Geschichte gelesen und mich endlich mal durch das Sommernachtstraum-Blog geackert. (Wie Günther schon erwähnte, die Navigation ist etwas gewöhnungsbedürftig).

Zu deiner Vignette: Gefällt mir sehr. Dein Stil hat sich geändert. Ich lese keinen Haefs mehr raus.
Zwei Sachen stören mich. Das eine liegt an meiner rein persönlichen
Abneigung gegen die Verwendung von "Goblin" in deutschsprachigen Texten. Ich frage mich dann immer sofort, auf welchem Power-Level sich die Figur befindet, weil ich´s mit schlecht übersetzten D&D-"Romanen" assoziiere.
(Hab noch keinen gelesen, aber ich werd schon recht haben). Vielleicht
findet sich ja was anderes.
(In diesem Zusammenhang (D&D): Such mal bei Google nach "farador", da
findest du einen sehr nettes Google-Video)

Die andere Sache: Bei "Senf und Blüte hatten von Anfang an keine Chance. Zu organisch..." frage ich
mich, was an den beiden organischer ist, als an Motten oder Spinnweben.
Geht´s um die Zuteilung Tier/Pflanze? Dann waren die beiden vielleicht (achtung Pun!) nicht
faunisch genug.

Wobei mir jetzt durch die Synonym/Homophon/Homonym-Kette
(Peter) Pan -> Satyr -> Faun -> Fawn -> Kid -> Child
wieder etwas in den Sinn kommt:
Hatten wir nicht mal darüber gesprochen, dass man Puck als Vorgänger des indischen Knaben sehen könne (ein seinerzeit von Oberon abgeschleppter Knabe)? Oder erinnere ich mich falsch?
Lässt sich ja vielleicht als dramaturgischer Subtext verwenden und passt zu der von dir angesprochenen Vorliebe Zettels für Yellow-Press-Produkte: Madonna holt armes Dritt-Welt-Kind in ihr Engelland.
Dementsprechend wäre Zettels Verwandlung durch Puck eine Parodie oder Replikation dessen, was ihm selber wiederfahren ist (Verwandlung in ein Sex Toy).

Weitere Spinntisierereien:
Günther kann eine Oberon/Puck-Trilogie" machen: MND (anarchisch) - Peter
Pan (regrediert) - Tempest:(gereift)
In Teil 2 gibt Puck (mentally unbalanced, cf. Gaiman) selber den
Kindesentführer (cf. Alan Moore: Lost Girls).
Der Oberon-Darsteller gibt den Hook. Oder vielleicht Tinkerbell, falls sich die Machtverhältnisse umgekehrt haben.
Teil 3 spielt in den Überresten des Feenreiches und Puck kann seinen
Caliban-Anteil loswerden
------
Deine Charakterisierung Zettels im Eintrag vom 12. November legt für mich nahe, dass die Rahmenhandlung in einer Imbissbude spielen müsste (Ein Eppendorfer Sommernachtstraum, ich unterstelle dir jetzt einfach mal einen deutschen TV-Anspielungs-Horizont):
Personen:
Zettel, 41 Jahre, arbeitslos.
Squenz, 40 Jahre, Imbiss-Wirt
Schnock, 52 Jahre, steht im Baumarkt an der Säge.
Als Gast: Puck

Das ganze endet dann mit dem einzigen Satz, den Schnock im Stück sagen wird
(im Traum ist er viel zu verschüchtert überhaupt etwas herauszukriegen): "Halt die Klappe, ich hab´ feierabend".

FitzLade hat gesagt…

Und mein reply:
>Wie Günther schon erwähnte, die Navigation ist etwas gewöhnungsbedürftig
Ist halt blog-navigation. man muss das ganze quasi rueckwaerts lesen.

>Dein Stil hat sich geändert. Ich lese keinen Haefs mehr raus.
Als ob ein konsistenter Haefs-Stil gar so schlecht wäre - der Mann lebt davon nicht schlecht. In diesem Fall ist aber viel der taufrischen Gaiman-Lektuere geschuldet (Fragile Things - siehe http://fitzlade.blogspot.com/2006/12/book-review-template.html).

>"Goblin"
Act II, Scene 1. Shakespeare schreibt Hobgoblin
Schlegel hat Kobold oder Poltergeist, Wieland Hob-Goblin, Eschenburg auch. Rothe wieder Poltergeist. Fried hat Gnom oder 'guter Waldgeist'. Ich wollt halt etwas, das den negativen Aspekt von Puck benennt. Poltergeist ist mir zu sehr Pumuckl (auch so' ne Puck-Variante). Ich glaub fuer die Ausgabe letzter Hand werd ich's nochmal redigieren.

>"farador"
(http://video.google.ca/videoplay?docid=-5825493270005637835) 12 minuten? mal sehen.

>Geht´s um die Zuteilung Tier/Pflanze?
Aeh, ja. My mistake. Werd ich ihn 'zu floral' aendern.

> dass man Puck als Vorgänger des indischen Knaben sehen
haben wir darueber gesprochen? weiss nicht mehr - klingt aber durchaus plausibel. muss ich mal drueber nachdenken.

> Madonna holt armes Dritt-Welt-Kind in ihr Engelland.
Nice One

> Dementsprechend wäre Zettels Verwandlung durch Puck eine Parodie oder
> Replikation dessen, was ihm selber wiederfahren ist (Verwandlung in ein Sex Toy).
Ja. Werd ich wohl mal ein eigenes posting zu machen muessen.

>Oberon/Puck-Trilogie" machen: MND (anarchisch) - Peter Pan (regrediert) - Tempest:(gereift)
Another Nice One.

>Puck kann seinen Caliban-Anteil loswerden
Ich denke ja, dass es im Sturm auch darum geht, dass Ariel seinen Calibanteil dazugewinnt - um wieder ein vollstaendiger Puck zu werden

>einen deutschen TV-Anspielungs-Horizont)
nur vom Hoerensagen

FitzLade hat gesagt…

Nochmal Goblin:
In Act III Scene 2 - als Puck die Liebhaber trennt und einschläfert - hat Shakespeare:
Goblin, lead them up and down.


Wieland hat:
Kobolt führ' sie auf und ab.

Eschenburg:
kopiert hier Wieland wörtlich.

Schlegel:
Kobold, führ sie hin und her!

Rothe:
Aus und ein, alles ist schein...
So, so - drückt sich wieder

Fried:
Kobold, führ sie kreuz und quer!

Kobold soll's also sein, vielleicht archaisiert zu Kobolt (obwohl, etymologisch soll das von Kobe (Haus) und hold (Geist) kommen. Nah egal - Kobolt also